System der Bedecktsamer

System der Bedecktsamer

 

Im dritten der Tübinger Gärten (Abb. 9), der heute als „Alter Botanischen Garten“ be­zeichnet wird, wurde zuerst das System von Antoine-Laurent de Jussieu, dann das von August Eichler umgesetzt. Im neuen Garten wurde dagegen das schon vor über 100 Jahren entwickelte System von Adolf Engler (1844-1930) verwendet.

Bei meinem Amtsantritt in Tübingen 1974 waren längst die Systeme von Arthur Cronquist (1919-1992) und Armen Takhtajan ​​ (1910-2009) anerkannt, Systeme der Angiospermen, die in der Münchner Schule von Hermann Merxmüller (1920-1988) ausgefeilt jedes Sommersemester mit Über­zeugungskraft doziert wurden.

Gegen den Widerstand der technischen Lei­tung hatte sich der Reviergärtner des Systems, Herr Emil Fuhrer, der neuen Aufgabe eines Umbaues der Anlage gewidmet, diese in estaunlich kurzer Zeit gemeistert und mit pfle­gerischer Bravour die Qualität der Präsenta­tion über seine Dienstjahre hinweg erhalten.

Wir konnten gut mitverfolgen, wie die mole­kular begründete Systematik entwickelt wurde und allmählich ihren unangefochteten Siegeszug antrat. Dieser Neuentwicklung auch in der Darstellung des Gartensystems Rechnung zu tragen, war eine besondere Her­ausforde­rung.

 

Im Leonhart Fuchs-Jahr 2001 tagte der Ver­band Botanischer Gärten in Tübingen. Als Hauptthema wurde „Systeme in Botanischen Gärten“ gewählt. Wir konnten als Vorreiter unter deutschen Gärten ein nach molekular­phylogenetischen Hypothesen angeordnetes System vorführen. Das terrassenförmige Ge­lände der Tübinger Anlage eignete sich na­turgemäß besonders dafür. Daher war es nicht nur gerechtfertigt, sondern vielmehr ​​ ver­pflichtend, einen hohen wissenschaftlichen Anspruch für dieses Revier geltend zu ma­chen. Für die Internetpräsentation des Gartens wurde es möglich gemacht, durch Anklicken eines gelisteten Familiennamens die Position im System zu lokalisieren.

 

Die Bedeutung der Blütenbaupläne

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Abb. 16: Blütendiagramm und Blütenformel der Tulpe: 2 Kreise von 3 jeweils gleichen Blütenhüllblättern (P), gefolgt von 2 Kreisen Staubblättern (A) und einem zentralen, oberständigen Fruchtknoten aus 3 ver­wachsenen Frucht­blättern (G). Entsprechend lautet die Blütenformel P3+3 A3+3 G(3). Orig.

 

Samenpflanzen, Nackt- und Bedecktsamer, können am besten verstanden werden, wenn ihre Blüten, blühend und fruchtend (Abb. 16, 17), erfaßt und verglichen werden.

 

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Abb. 17, links: Tulpenblüte, 3 Blütenblätter abpräpa­riert, 3 teilweise sichtbar; 5 Staubblätter sichtbar, eines verdeckt; zentraler, dreiblättriger Fruchtknoten er­kennbar an den drei Kanten und den drei terminalen Narben. Rechts: Querschnitt durch den dreiblättrigen Fruchtknoten (G) mit zentralen Samenanlagen (Sa), ​​ Orig.

 

Hauptblütenorgane und ihre Kennbuchstaben:

K – Kelch

C – Krone

P – Blütenblätter (Perianth), die nicht in Kelch- und Kronblätter differenziert sind

A – Staubblätter (Androeceum)

G – Fruchtblätter (Gynoeceum)

Sa – Samen(anlagen)

 

Das einfache, hier gewählte Beispiel der Tulpe zeigt in ihrem Blütenbauplan die Grundstrukturen der Blüten der Einkeim­blättri­gen (Monocotyledoneae).

 

Alle unterschiedlichen Baupläne von Blüten, Früchten und vegetativen Teilen der Pflanzen sind das Ergebnis ihrer evolutiven Entwicklung. Es war und ist weiterhin die Aufgabe der aka­demischen Lehre, diesen Zusammenhang im Hörsaal, im Garten und in der Natur im­mer wieder aufzudecken.

 

Die meisten der angebotenen Anhänge sind Darstellungen von Pflan­zenfamilien, z.B. Hahnenfußgewächse 1, 2, Körb­chenblütler 1, 2, Lippenblütler 1, 2 (Abb. 18), Sauer 1, 2 - ​​ und Süßgräser 1, 2 und viele andere mehr. Unverzichtbarer Bestandteil der Beschreibungen dieser Familien sind ihre Blütenbaupläne.

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Abb. 18: Längsschnitt einer Taubnesselblüte, Lamium orvala, Blütendiagramm und Blütenformel. Die fünf Kelchblätter sind verwachsen, K(5); fünf verwachsene Kronblätter, C(5) bilden eine basale Röhre und darüber eine Ober- und Unterlippe aus, die Krone ist daher bi­lateral symmetrisch. Die Filamente der vier Staubblät­ter sind mit der Kronröhre verwachsen, das fünfte, obere Staubblatt fehlt. Der oberständige Fruchtknoten wird von zwei verwachsenen Fruchtblättern, erkennbar am zweinarbigen Griffel, gebildet, G(2), wird aber in vier einsamige Teilfrüchte (Klausen) zerteilt. Orig.

 

Der Hinweis auf die Bedeutung der Blüten­morphologie ist im Gesamtzusammenhang des Themas Botanischer Garten unverzicht­bar. Die unterschiedlichen Baupläne sind nicht nur ein Ausdruck der Evolution der Blütenpflanzen, sondern auch der vielfältig­sten Anpassungen an Bestäubungs- und Ver­brei­tungsbiologie.

 

Das aktuelle System der Bedecktsamer, Angiospermae, dargestellt auf den Terras­sen vor dem Tropicarium (Abb. 19, 20)

Das System wird als eigener Teil ausführlich behandelt (TüBG 2 System). Um es für inte­ressierte Nicht-Sy­stematiker verstehbar zu ma­chen, wurden, soweit möglich, auch deutsche Namen für Organismengruppen, Familien und Ordnun­gen, verwendet. Es wird emp­fohlen, die einschlägigen Texte mit den Abb. 21 und 22 zu ver­gleichen sowie die dazugehörigen Anhänge (System 1, 2, 3, 4) gleichzeitig zu benutzen. Vertiefend kann der Stoff dadurch aufbereitet werden, dass die als Anhänge verfügbaren, al­phabetisch gelisteten Familien zusätzlich be­nutzt werden. Im Anhang „Pflanzenführer“ werden alle Gattungen, Familien und Ordnungen alphabetisch aufgeführt und beschrieben.

 

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Abb. 19: System in der Terrassenanlage vor dem Tropi­carium, an molekularphylogenetischen Hypothe­sen orientiert. Orig. 6.2001.

 

Wie das System zeigt (Abb. 21), bilden Ein­keimblättler (Monocotyledoneae) eine Ab­stammungsgemeinschaft, sie sind also mo­nophyletisch, nicht aber die Zweikeimblätt­ler (Dicotyledoneae).

 

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Abb. 20: Ein Hauptweg verläuft über eine Terrasse des Systems. Orig. 4.5.2005.

 

Auf der dritten Ter­rasse wird die Systemanlage durch einen ho­rizontal verlaufenden Haupt­­weg (Abb. 20) in einen südlichen, abwärts zeigenden Teil, mit Monocotylen bepflanzt und einen nördlichen, Hang aufwärts ausgerichteten Bereich, zerschnitten. Hier beginnen die Dicotylen (siehe Anhänge System 1, 2, 3).

 

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Abb. 21: System der Bedecktsamer, Angiospermen, in Anlehnung an APG (Stevens 2001).