Rosidae, Rosenartige Verwandtschaft
Auf der vierten Systemterrasse des Tübinger Gartens sind Arten der Rosidae angepflanzt (Abb. 139, Anhang System 3).
Rosidae, Unterklasse dikotyler Angiospermen mit überwiegend choripetalem Blütenbau und fixierten Blütengliedern. Es gibt keine allgemein akzeptierte Gliederung dieser Verwandtschaft. Die Gruppierung in Abb. 140 orientiert sich an dem Phylogenie-Vorschlag der Angiosperm Phylogeny Group (2003), der weitgehend mit der Darstellung von Stevens (2016) übereinstimmt.
Nach einer weiteren Auffassung sind die Saxifragales, Santalales und Vitales in der Unterordnung eingeschlossen. Die Ordnungen werden in der Reihenfolge der Abb. 140 von oben nach unten behandelt.
Abb. 140: Ausschnitt der Rosidae aus Abb. 19 des Systems der Bedecktsamer, nach APG II (2003), verändert.
Saxifragales, Steinbrechartige Gewächse
Hauptmerkmale der etwa 2500 Arten der Saxifragales sind: Sträucher oder Kräuter mit zusammengesetzten bis einfachen Blättern, ohne Stipeln; Blüten zumeist radiär, mit freien oder verwachsenen Blütenblättern, häufig intrastaminalen Diskusbildungen und freien, teilweise verwachsenen oder parakarpen Fruchtknoten; Griffel aber immer frei; Bälge, balgartige Kapseln, selten Beeren (Ribes). Familienauswahl: Altingiaceae, Cercidiphyllaceae, Crassulaceae, Daphniphyllaceae, Grossulariaceae, Haloragaceae, Hamamelidaceae, Iteaceae, Paeoniaceae, Penthoraceae, Saxifragaceae.
Systematik und Phylogenie: Bereits Huber (1991) hat die Paeoniaceae zu den Saxifragales gestellt und die Parnassiaceae ausgeschlossen. Dies wird durch molekular begründete Dendrogramme bestätigt. Nach diesen sind auch die Altingiaceae, Cercidiphyllaceae, Daphniphyllaceae und Hamamelidaceae in die Ordnung einzubeziehen (Fishbein et al. 2001, Fishbein et Soltis 2004, Jian et al. 2008, Soltis et al. 2013).
Abb. 141: Familien der Saxifragales: Dendrogramm nach Sequenzen des Plastidengenoms (Chase et al. 1993 in der Auswertung nach Rice et al. 1997).
Paeoniaceae, Pfingstrosengewächse
(Abb. 141, 142). Familie der Saxifragales (Steinbrechartige Gewächse) mit der einzigen Gattung Paeonia, deren Arten große, auffällige Blüten mit 5 Kelchblättern, 5-10 Kronblättern, vielen Staubblättern und 2-5 freien Fruchtblättern besitzen. Die 33 Arten sind in der nördlich gemäßigten Zone verbreitet. Der Name bezieht sich auf den griechischen Arzt Paeon, der, nach Theophrast, als erster die giftigen Pflanzen medizinisch genutzt haben soll.
Systematik und Phylogenie: Die Familie wurde früher wegen der zentrifugalen Entwicklung des Androeceums (Corner 1946) zu den Dilleniales gestellt (Cronquist 1981). Nach molekularen Daten sind die Paeoniaceae ein Monophylum der Saxifragales (Jian et al. 2008).
Siehe Anhang „Lieblingspflanze 4. Pfingstrose“.
Vgl. Teil 3 Arboretum, 18 Paeoniaceae.
Abb. 142: Blüte von Paeonia mascula, Pfingstrose. TüBG. Orig. 9.5.2002.
Abb. 143: Blätter und Blütenstand von Liquidambar styraciflua, Amberbaum. System, TüBG. Orig. 9.5.1993.
Altingiaceae, Amberbaumgewächse
(Abb. 143, 144). Familie mit einer Gattung, Liquidambar, und 12 Baumarten, die in West-, Ost- und Südostasien, Indomalesien, sowie in Nordamerika verbreitet sind. Harzkanäle an der Markperipherie. Blätter palmat gelappt oder gezähnt. Blüten eingeschlechtig, ohne Kronen oder ohne Perianth; Staminodien in weiblichen Blüten öfters vorkommend.
Systematik und Phylogenie: Altingia und Liquidambar wurden vereint (Shi et al. 2001). Nach molekularphylogenetischen Hypothesen können die Hamamelidales (Abb. 101, 141, 144) in die erweiterten Saxifragales (Steinbrechartige Gewächse) eingegliedert werden (Soltis et al. 1997, APG III 2009).
Vgl. Teil 3 Arboretum, 24 Altingiaceae.
Abb. 144: Familien der ehemaligen Hamamelidales: Dendrogramm eines Einzelbaumes nach Sequenzen des Plastidengenoms (Chase et al. 1993).
Abb. 145: Blüten mit jungen Staubblättern von Parrotia persica, persischer Eisenholzbaum, TüBG. Orig. 9.3.2003.
Hamamelidaceae, Zaubernußgewächse
(Abb. 144-146). Traditionell Familie der Hamamelidales (Zaubernussartige Gewächse), die in 27 Gattungen mit rund 80 Arten von Bäumen und Sträuchern in West-, Südost- und Ostasien, in Süd- und Ostafrika, sowie im östlichen und südlichen Nordamerika, Mittelamerika und nördlichem Südamerika verbreitet sind. Blüten 4-5gliederig, mit Kelch und häufig auffälliger, gefärbter Krone, meist freikronblättrig; G2 mit 2 Griffeln, ober-, mittel- und unterständig. Der Name Hamamelis bezieht sich auf die alte griechische Benennung (háma - gleichzeitig, mélon - Apfel, Frucht) für Mespilus, Mispel (Rosaceae). Gattungsauswahl: Hamamelis, Corylopsis, Fortunearia, Sinowilsonia, Fothergilla, Parrotia, Parrotiopsis, Distylium.
Phylogenie: Nach molekularphylogenetischen Hypothesen zu den Saxifragales s.l. gehörig (Soltis et al. 1997). Mit den Altingiaceae, Cercidiphyllaceae und Daphniphyllaceae auf einer basalen, nicht näher aufgelösten Evolutionshöhe der Ordnung stehend (Abb. 144).
Abb. 146: Reife Staubblätter von Parrotia persica, persischer Eisenholzbaum. Orig. 9.3.2003.
Vgl. Teil 3 Arboretum, 25 Hamamelidaceae.
Cercidiphyllaceae, Katsurabaumgewächse
(Abb. 144, 147). Familie mit der einzigen Gattung Cercidiphyllum, die mit zwei Arten in China, Korea und Japan verbreitet ist. Blätter dimorph (heterophyll), an Langtrieben elliptisch bis kreisförmig und gegenständig, an Kurztrieben herzförmig und wechselständig. Die kronblattlosen, eingeschlechtigen Blüten sind zweihäusig verteilt. A8-13, G1, Griffel mit 2 langen, parallelen Narben. Frucht vielsamig, mit 2 Samenreihen. Wegen der intensiv gelben Herbstfärbung der Blätter als Ziergehölze geschätzt. Der Name bezieht sich auf die Ähnlichkeit der Blätter mit denen des Judasohrbaumes, Cercis siliquastrum.
Abb. 147: Frucht des Katsurabaumes, Cercidiphyllum japonicum, Katsurabaumgewächse, Cercidiphyllaceae. 1 Frucht mit freien, apocarpen, Fruchtblättern, G. 2 aufgeschnittenes Fruchtblatt mit Samen. Na Narben. Orig.
Phylogenie: Nach molekularphylogenetischen Hypothesen zu den Saxifragales s.l. gehörig. Mit den Altingiaceae, Daphniphyllaceae und Hamamelidaceae auf einer basalen, nicht näher aufgelösten Evolutionshöhe der Ordnung stehend (Abb. 144; Qi et al. 2012, Crane et du Val 2013).
Vgl. Teil 3 Arboretum, 26 Cercidiphyllaceae.
Daphniphyllaceae, Lorbeerblattgewächse
(Abb. 148, 149). Familie mit einer Gattung, Daphniphyllum und ca. 10 Arten lorbeerartiger Bäume und Sträucher, die von Indien über Südostasien, den indomalesischen Archipel bis nach China und Japan verbreitet sind. Blätter ganzrandig, ohne Stipeln, scheinwirtelig angeordnet. Blüten eingeschlechtig, apopetal; K3-6 frei, verwachsen, auch fehlend und dann meist durch Staminodien ersetzt; A6-12 G(4-2), unvollständig gefächert; einsamige Steinfrucht. Mehrere Arten sehr giftig. Der Name ist aus dem Griechischen hergeleitet (dáphne - Lorbeerbaum, phyllon - Blatt).
Systematik und Phylogenie: Über die Stellung der Gattung Daphniphyllum gibt es kontroverse Ansichten. Üblicherweise wird sie als monogenerische Familie den Euphorbiales eingegliedert. Es wurden aber auch verwandtschaftliche Beziehungen zu den Cornales, Hamamelidales, Theales und den Pittosporaceae diskutiert. Schließlich wurde Daphniphyllum als einzige Gattung einer eigenen Ordnung, Daphniphyllales, angesehen. Nach molekularphylogenetischen Hypothesen ist Daphniphyllum den Saxifragales s.l. zugehörig (Hermsen et al. 2006). Mit den Altingiaceae, Cercidiphyllaceae und Hamamelidaceae auf einer basalen, nicht näher aufgelösten Evolutionshöhe der Ordnung stehend (Abb. 144).
Vgl. Teil 3 Arboretum, 38 Daphniphyllaceae.
Abb. 148: Daphniphyllum macropodum, Lorbeerblatt-Busch, im System von TüBG mit dem Tropicarium im Hintergrund. Orig. 19.4.2007.
Abb. 149: Daphniphyllum macropodum, junger Fruchtstand des Lorbeerblattes. Die beiden Narbenäste weisen auf einen zweiblättrigen Fruchtknoten hin. Orig. 18.5.2002.
Crassulaceae, Fetthennengewächse
(Abb. 141, 150, 151). Familie mit ca. 35 Gattungen und etwa 1500 Arten sukkulenter Stauden und kleiner Sträucher, sehr selten einjähriger Kräuter, die subkosmopolitisch verbreitet sind; besonders artenreich in Südafrika, dem makaronesisch-mediterranen Raum, sowie in Mexiko. Die meisten Arten sind hervorragend an Trockenstandorte angepaßt; es gibt aber auch Vertreter, die in Feuchthabitaten oder sogar im Wasser leben. Blätter fleischig-sukkulent, meist einfach, ohne Stipeln, dicht bis rosettig, wechselständig. Blüten radiär, zwittrig, meist 5zählig, seltener mit 3 bis 32 Blütengliedern, Blütenachse oft verbreitert; K und C frei bis verwachsen, A obdiplostemon oder haplostemon, G apokarp mit drüsigen Karpellschüppchen; meist Balgfrüchte. Die Familie enthält viele wichtige Zierpflanzen für Trockenstandorte. Der Name ist die Diminutivform des Lateinischen crassus - dick.
Gattungsauswahl: Aeonium, Cotyledon, Crassula, Echeveria, Kalanchoë, Pachyphytum, Rhodiola, Sedum, Sempervivum, Tillaea, Umbilicus.
Phylogenie: Die Crassulaceae bilden nach molekularen Daten mit den Aphanopetalaceae, Haloragaceae, Penthoraceae und Tetracarpaeaceae ein Monophylum innerhalb der Saxifragales. Molekularphylogenetisch werden die Unterfamilien Crassuloideae, Kalanchoideae und Sempervivoideae bestätigt (Van Ham et 't Hart 1998, Mort et al. 2001, 2010, Thiede et Eggli 2006).
Abb. 150: Blüte von Sempervivum arachnoideum, Spinnweben-Hauswurz. Orig. 24.6.2006.