Systeme der Bedecktsamer, Magnoliophytina

Systeme der Bedecktsamer, Magnoliophytina

 

 

Durch Systeme werden Organismengruppen so strukturiert, dass eine Übersicht möglich wird. Taxonomisch wird gegliedert und benannt und damit auch klassifiziert. Systeme bezwecken eine gerichtete Ordnung, fast immer um natürliche Verwandt­schaften zu erfassen. Diese müssen auf eine gemeinsame Abstammung zurückgeführt werden können und sind dann Monophyla. Eine Anordnung nach ihrer evolutiven Entstehung liefert die phylogenetische Systematik. Im englischen Sprachgebrauch wird „taxonomy“ oft mit „systematics“ gleichgesetzt.

 

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Abb. 9: Schlüssel zum Sexual-System der Blütenpflanzen von Carl von Linné, aus seinem Regnum Vegetabile (1735).

 

Makroskopisch eindeutig erkennbare Grundbaupläne von Blüten sind seit altersher zur Zuordnung der Arten zu einer bestimmten Gruppe verwendet worden, so bei Andrea Caesalpino (1519-1603) schon 1583 in „De plantis libri XVI“, bei Gaspard Bauhin (1560-1624) in „Pinax theatri botanici“ (1623) und bei Joseph Pitton de Tournefort (1656-1708) in „Éléments de botanique“ (1694).

 

Bereits in seinem „Regnum Vegetabile“ (1735) hat Carl von Linné gezeigt, dass Samenpflanzen, Nackt- und Bedecktsamer, am besten zu verstehen sind, wenn ihre Blüten, blühend und fruchtend (Abb. 9), erfaßt und verglichen werden.

 

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Abb. 10: Illustrationen von Blütenorganen zum Sexual-System von Carl von Linné durch Georg Dionysius Ehret (1736).

 

Das Sexual-System von Carl von Linné wurde ein Jahr später von Georg Dionysius Ehret (1708-1770) eindrucksvoll illustriert (Abb. 10).

Das System von Antoine-Laurent de Jussieu

 

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Abb. 11: Erstes System im Alten Botanischen Garten Tübingen nach de Jussieu. Aus Hochstetter (1860).

 

Im dritten der Tübinger Gärten, der heute als „Alter Botanischer Garten“ be­zeichnet wird, wurde zuerst das System von Antoine-Lau­rent de Jussieu (1748-1836) aus seinen „Genera Plantarum, secundum ordines disposita juxta methodum in Horto Regio Parisiensi exaratam“ (1789), übernommen (Abb. 11). Die Zusammenstellung der Stauden im Garten erfolgte, „soweit es thunlich war in sieben grossen Landquartieren“ (Hoch­stetter 1860, mit der von ihm verwendeten Nomenklatur und Schreibweise):

I. Acotyledoneae, ohne Keimblätter: Im Freien ausdauernde Farnkräuter, Filices (z).

II. Monocotyledoneae, mit einem Keimblatt: Landquartiere A und B mit Lilien-, Narzissengewächsen und Verwandten, Smilaceae, Dioscoreae, Aroideae, Liliaceae, Amaryllideae, Commelynaceae, Irideae, Orchideae, Colchicaceae.

Landquartier C mit Süß- und Sauergräsern, Gramineae, Cyperacea, Juncaceae und mit „denjenigen medizinischen Pflanzen aus der Klasse der Monocotyleae, welche sich im Freien cultivieren lassen“.

III. Dicotyledoneae, mit zwei Keimblättern: Landquartier D mit Körbchenblütlern, Compositae.

Landquartier E mit Kardengewächsen (Dip­saceae), Baldriane (Valerianaceae), Rötegewächse (Rubiaceae), Bleiwurzgewächse (Plum­baginaceae), Kugelblumen (Globulariaceae), Wegeriche (Plantagineae), Waugewächse (Resedaceae), Winden (Convolvula­ceae), Primeln (Primulaceae) und weitere Körbchenblütler (Compositae).

Landquartier F enthielt folgende Familien: Hülsenfrüchtler (Leguminosae), Nachtkerzengewächse (Onagrarieae), Weideriche (Ly­thrarieae), Hundswürgergewächse (Apocyne­ae), Schwalbenwurzgewächse (Asclepiadeae), Enziane (Gentianeae), Winden (Convolvula­ceae) Glockenblumen (Campanulaceae), Rosengewächse (Rosaceae), Doldenblütler (Um­belliferae), Himmelsleitergewächse (Polemo­niaceae), Raublattgewächse (Boragineae), Wasserblattgewächse (Hydrophylleae), Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae), Berberitzen (Berberideae), Mohngewächse (Papaveraceae), Kreuzblütler (Cruci­ferae), Johanniskräuter (Hypericineae), Storch­schnabelge­wächse (Geraniaceae), Cist­rosen (Cistineae), Malvengewächse (Malva­ce­ae), Nachtschattengewächse (Solaneae), Eisenkrautgewächse (Verbenaceae) und Akanthusgewächse (Acan­thaceae). „In den acht Längs-Rabatten, mit Med. bezeichnet, sind die medizinischen Pflanzen des freien Landes aus diesen genannten Familien zusammengestellt“ gewesen.

Landquartier G enthielt nachstehende Familien: Sauerkleegewächse (Oxalideae), Springkräuter (Balsamineae), Kapuzinerkressen (Tropaeoleae), Rachenblütler (Scrophularieae), Lippenblütler (Labiatae), Leinkräuter (Sileneae), Mieren (Alsineae), Wunderblumen (Nyctagineae), Kermesbeeren (Phytolaccaceae), Knöteriche (Polygoneae), Gänsefußgewächse (Chenopodeae), Osterluzeigewächse (Aristolochieae), Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae), Rautengewächse (Rutaceae), Leingewächse (Linaceae), Brennnesseln (Urticaceae), Scheinhanfgewächse (Datisceae) und Veilchen (Violarieae). Auch hier waren die Arzneipflanzen (Med.) in eigenen Längsrabatten zugeordnet.

Im Landquartier H befanden sich die einjährigen Pflanzen der Körbchenblütler (Compositae) und der Amaranthgewächse (Amaran­thaceae).

Landquartier J enthielt Einjährige aus verschiedensten Familien, „der alphabetischen Reihenfolge nach gesäet oder gepflanzt und können daher leicht gefunden werden“.

Die Bäume und Sträucher, arbores et fru­ti­ces: Im Hauptgarten befinden sich im Ganzen vierundzwanzig Gruppen, welche auf dem Situationsplan mit I–XXIV bezeichnet sind. Z.B. Aesculus hippocastanum L. steht in der Gruppe VI, Populus nigra L. in der Gruppe VIII u.s.w. Die zahlreichen einzeln stehenden Bäume und Sträucher sind sorgfältig etiquettirt“.

 

 

 

Das System von August Eichler

 

 

Die Monocotyledones waren untergliedert:

1. Staubblätter unterweibig (hypogynisch)

2. Staubblätter umweibig (perigynisch)

3. Staubblätter oberweibig (epigynisch)

In den „Monocotyledones, stamina perigyna“ unterschied er acht Ordnungen: Palmae, Asparagi, Junci, Lilia, Bro­me­liae, Asphodeli, Narcissi und Irides.

 

Die Dicotyledones enthielten vier Gruppen mit Untergliederungen der ersten drei Punkte wie bei den Monocotyledones:

1. Apetalae, Kronenlose

2. Monopetalae, mit (scheinbar) einblättriger Krone

3. Polypetalae, mit mehreren getrennten Kronblättern

4. Diclines irregulares, getrenntgeschlechtliche, meist kronenlose Pflanzen

 

Auch die Systeme von Stephan Endlicher (1836-40), Adolphe Brogniart (1843) und Alexander Braun (1864) untergliederten die Bedecktsamer in Ein- und Zweikeimblättler.

 

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde das System von August Eich­ler (1839-1887) im Garten eingerichtet, das in seinen „Blü­thendiagramme: construirt und erläutert“ (1875) veröffentlicht wurde. Eichler hatte dadurch die Grundlage für die vergleichende Blütenmorphologie geschaffen, eine wesentliche Voraussetzung dafür, natürliche Verwandtschaften der Blütenpflanzen zu erkennen.

Er gliederte die Pflanzen in Cryptogamae und Phanerogamae, diese in Gymnospermae und Angiospermae und letztere in ein- und zweikeimblättrige Pflanzen.

 

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Abb. 12: System im Alten Botanischen Garten Tübingen nach August Eichler. Lithographie von W.C. Rübsamen, Stuttgart, nicht datiert.

 

Aus dem Gartenplan (Abb. 12) lassen sich unschwer uns geläufige monophyletische Gruppen ablesen, auch wenn die Nomenklatur überwiegend merkmalsbezogen und nicht, wie heute, Taxon-abgeleitet ist.

 

Die einkeimblättrigen Monocotyledoneae enthielten die sieben Ordnungen:

Helobiae: Lemnaceae, Najadaceae incl. Potamogeton, Hydrocharitaceae, Alismaceae incl. Butomus, Juncaginaceae

Spadiciflorae (Eichler: „nicht annähernd vollständig“): Araceae, Palmae, Typhaceae

Glumaceae: Cyperaceae, Gramina,

Enantioblastae: Centrolepidaceae, Restiaceae, Eriocaulaceae, Xyridaceae, Commelinaceae,

Liliiflorae: Juncaceae, Liliaceae s.l., Amaryllidaceae, Dioscoreaceae, Iridaceae, Haemodoraceae, Pontederiaceae, Bromeliaceae

Scitamineae: Musaceae, Zingiberaceae, Marantaceae

Gynandrae: Burmanniaceae, Orchidaceae

 

Die Dicotyleae wurden in die verwachsen­kron­blättrigen Sympetalae und die freikron­blättrigen Choripetalae gegliedert.

Sympetalae, Haplostemones:

Tubiflorae: Convolvulaceae, Polemoniaceae, Hydrophyllaceae, Asperifoliae, Solanaceae

Labiatiflorae: Scrophulariaceae, Lentibulariaceae, Bignoniaceae, Acanthaceae, Gesneraceae, Selaginaceae, Plantagineae, Verbenaceae, Labiatae

Ligustrinae: Oleaceae, Jasminaceae

Contortae: Gentianaceae, Loganiaceae, Apocynaceae, Asclepiadaceae

Aggregatae: Rubiaceae, Caprifoliaceae, Valerianaceae, Dipsacaceae, Compositae

Campanulinae: Campanulaceae, Lobeliaceae, Goodeniaceae, Stylidiaceae

Anhang: Cucurbitaceae

Sympetalae, Diplostemones:

Primulinae: Primulaceae, Plumbaginaceae, Myrsinaceae

Diospyrinae: Sapotaceae

Obdiplostemones:

Bicornes: Epacridaceae, Ericaceae, Rhodoraceae, Hypopityaceae

 

Die 21 Ordnungen der Choripetalae werden aus dem Syllabus (1883) aufgelistet:

Urticinae, Polygonina, Centrospermae, Polycarpicae, Rhoeadinae, Cistiflorae, Columniferae, Gruinales, Terebinthinae, Aesculanae, Frangulinae, Tricoccae, Umbelliflorae, Saxifraginae, Opuntiinae, Passiflorinae, Myrtiflorae, Thymelinae, Rosiflorae, Leguminosae.

 

 

 

 

 

 

 

Das System von Adolf Engler

 

 

Im neuen Garten auf der Morgenstelle wurde zuerst das von Adolf Engler (1844-1930) im Syllabus der Pflanzenfamilien (1903) publizierte System verwendet (Abb. 13). Es enthielt die beiden Klassen Monocotyledoneae und Dicotyledoneae, die von Eichler (1883) übernommen wurden. Die Familien (1-97) werden im folgenden den Ordnungen nach Engler (1903) zugeordnet und dahinter durch deutsche Bezeichnungen ergänzt:

 

Ordnungen der Monocotyledoneae

Helobiae (1-6) Froschlöffelartige Gew.

Liliiflorae (9-13) Lilienartige Gew.

Juncales (14) Binsenartige Gew.

Commelinales (15) Tradescantienartige Gew.

Graminales (16) Süßgräser

Cyperales (17) Sauergräser

Spathiflorae (18) Aronstabartige Gew.

Scitamineae (19) Ingwerartige Gew.

Microspermae (20) Orchideen

 

Ordnungen der Dicotyledoneae:

Casuarinales (21) Keulenbaumartige Gew.

Juglandales (22) Walnußartige Gew.

Urticales (23, 24) Brennnesselartige Gew.

Polygonales (25) Knöterichartige Gew.

Centrospermae (26-32) Nelkenartige Gew.

Cactales (33) Kakteen

Celastrales (34) Spindelbaumartige Gew.

Geraniales (35) Storchschnabelartige Gew.

Ranunculales (36-38) Hahnenfußartige Gew.

Aristolochiales (40) Osterluzeiartige Gew.

Rosales (41-45) Rosenartige Gew.

Myrtiflorae (46, 47) Myrtenartige Gew.

Gunnerales (48) Großblattartige Gew.

Papaverales (50-53) Mohnartige Gew.

Violales (54-56) Veilchenartige Gew.

Cucurbitales (57) Gurkenartige Gew.

Guttiferales (58) Hartheuartige Gew.

Malvales (59) Malvenartige Gew.

Geraniales (35, 60-63) Storchschnabelartige Gew.

Rutales (64, 65) Rautenartige Gew.

Sapindales (66) Seifenbaumartige Gew.

Umbelliflorae (67-69) Doldenblütlerartige Gew.

Ericales (70) Heidekrautartige Gew.

Primulales (71) Primelartige Gew.

Plumbaginales (72) Bleiwurzartige Gew.

Tubiflorae (73-86) Röhrenblütige Gew.

Plantaginales (87) Wegerichartige Gew.

Gentianales (88-90, 92) Enzianartige Gew.

Dipsacales (91, 93) Kardenartige Gew.

Campanulales (94-97) Glockenblumenartige Gew.